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13. Juni 2025
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Medienmitteilung der Sicherheitsdirektion
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Entlastung für den bernischen Justizvollzug

Die Regionalgefängnisse im Kanton Bern sind seit einiger Zeit überbelegt. Mehrere parlamentarische Vorstösse zielen auf eine Entlastung der Situation ab. Nicht alle sind gleich gut. Und: Fakten können helfen, Desinformation nicht.

Die Regionalgefängnisse des Kantons Bern haben seit einigen Monaten mehr Personen in Haft, als wofür sie ausgelegt sind. Einen Vorschlag des Regierungsrates, temporär 40 zusätzliche Zellenplätze in Gefängniscontainern innerhalb der Mauern des Regionalgefängnisses Burgdorf einzurichten, hatte der Grosse Rat im September letzten Jahres mit Stichentscheid abgelehnt. Aus diesem Grund wurden in Regionalgefängnissen zuvor anders genutzte Räume in Mehrfachzellen umfunktioniert, bestimmte Zellen dichter belegt und so zusätzliche Plätze zum Vollzug von Kurzstrafen in der bestehenden Infrastruktur eingerichtet. Diese Lösung ist für maximal drei Jahre vorgesehen.

Entgegen anderslautenden Aussagen in Medien und von NGOs werden trotz der Überbelegung die Mindest-Flächenvorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) pro eingewiesene Person nach wie vor eingehalten bzw. übertroffen.

Zudem wurde der Personalbestand befristet um 13 Stellen aufgestockt. Mit diesen Massnahmen sowie der Bereitschaft der Mitarbeitenden, einen Mehraufwand zu leisten, ist es bisher gelungen, den Betrieb – und damit den gesetzlichen Auftrag, die gefällten Strafurteile zu vollziehen – trotz der erschwerten Bedingungen ordnungsgemäss aufrechtzuerhalten.

In der Sommersession des Grossen Rates sind mehrere Vorstösse eingereicht worden, mit denen eine Entlastung der Situation im Justizvollzug herbeigeführt werden soll. Der Regierungsrat hat diese Vorstösse noch nicht beraten. Der kantonale Sicherheitsdirektor nimmt folgende Einschätzung vor:

Kantonale Amnestie: Untauglich, weil unmöglich

So wird etwa mit einer Motion eine einmalige kantonale «Amnestie durch den Grossen Rat» für Ersatzfreiheitsstrafen verlangt. Die grosse Mehrheit umgewandelter Urteile in Ersatzfreiheitsstrafen betrifft Widerhandlungen gegen Gesetze auf Bundesebene, zum Beispiel gegen das Personenbeförderungsgesetz, das Strassenverkehrsgesetz, das Betäubungsmittelgesetz oder das Strafgesetzbuch. Eine Amnestie könnte in all diesen Fällen einzig durch die Vereinigte Bundesversammlung erfolgen. Der Grosse Rat hat hier keine Zuständigkeit. Der Vorschlag ist somit schon aus formell-rechtlichen Gründen untauglich, weil gar nicht möglich.

Desinformation

Dass sich die Medien «Berner Zeitung» und «Bund» und gemäss diesen auch der Berner Strafrechtsprofessor Jonas Weber für eine hier gar nicht anwendbare kantonale Amnestie ausgesprochen haben, ist sehr befremdlich. Vielleicht hat diese Desinformation auch zur knappen Ablehnung der Containerlösung im Grossen Rat beigetragen. Oder zum erwähnten untauglichen neuen parlamentarischen Vorstoss.

Der Vorschlag einer Amnestie ist aber auch aus inhaltlichen Gründen abzulehnen: Es wäre für unseren Rechtsstaat ein völlig falsches Zeichen. Wer sollte dann noch eine Busse bezahlen? Und wie stünde es mit der Gleichbehandlung – die einen zahlen, die andern nicht? Diebstahl, Drohung, Körperverletzung, Drogendelikte oder zu schnelles Fahren sind überdies keine «Bagatelldelikte», wie oft beschönigend und unzutreffend behauptet wird. Die meisten abzusitzenden Ersatzfreiheitsstrafen beinhalten zudem mehrere Delikte (Kombinationsstrafe).

Reine ÖV-Delikte machen nur einen einzigen Zellenplatz aus

Und: Forderungen nach einem Hafterlass für das oft zitierte «Schwarzfahren» würden sowieso praktisch keinen Raum in den Gefängnissen freispielen. Denn nur 120 Personen waren von Ersatzfreiheitsstrafen betroffen, die als einziges Delikt unbezahlte Bussen für Schwarzfahren beinhalteten, dies für durchschnittlich drei Tage. Diese Personengruppe hat also nur einen einzigen Zellenplatz pro Jahr belegt. Die kantonal nicht mögliche Amnestie würde nur einen einzigen Zellenplatz freispielen.

Gemeinnützige Arbeit: Prüfenswert – späte und begrenzte Wirkung

Eine andere Motion will per Standesinitiative eine Revision des Strafgesetzbuches (StGB) erreichen und so ermöglichen, eine Ersatzfreiheitsstrafe auch mit «Gemeinnütziger Arbeit» abzuleisten. Die Idee erscheint prima vista prüfenswert, allerdings würde die hierfür nötige StGB-Revision im Bundesparlament so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass erst langfristig und zudem nur beschränkt eine Wirkung erfolgen könnte; denn erfahrungsgemäss sind diese Leute oft nicht absprachefähig.

Abgespeckte Containerlösung: Rasch und effektiv

Für eine raschere und effektive Entlastung der überbelegten Gefängnisse könnte hingegen die «Motion Roggli» sorgen, die eine Re-Evaluation einer Containerlösung mit weniger Plätzen (etwas über 20 statt 40) vorschlägt. Die seit letztem September gemachten Erfahrungen zeigen, dass einzig diese Massnahme eine rasche Entlastung für die Gefängnisse herbeiführen würde. Diese Lösung sollte so lange nutzbar sein, bis der geplante Gefängnisneubau in Witzwil in der ersten Hälfte der 2030er-Jahre realisiert worden ist. Dadurch wird dann die JVA Thorberg frei und kann beispielsweise für Ersatzfreiheitsstrafen genutzt werden.

Aufgestaute Ersatzfreiheitsstrafen

Die Belegungssituation verschärft haben während fast eines Jahres andauernde IT-Probleme im Busseninkasso der Justiz. Dies, nachdem für das Finanz- und Rechnungswesen im Kanton ein neues Informatiksystem eingeführt worden war. Der dadurch entstandene Stau von Aufgeboten zum Strafantritt für unbezahlte Bussen und Strafbefehle führte dazu, dass im Jahr 2024 nicht wie üblich 20 000, sondern 34 000 Ersatzfreiheitsstrafen bei den Vollzugsdiensten der Sicherheitsdirektion eintrafen.

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